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 ERHOLUNGSAKTIONEN
Tagebuch einer Gastfamilie
...drei Jahre später
Ein Kinderbauernhof wird errichtet

TAGEBUCH EINER GASTFAMILIE
 

Unsere beiden Gastkinder heißen : Sergej Zasimov 12 Jahre und Nikolai (Kolja) Kosenkow 11 Jahre. Zu Anfang sei gesagt, es war nicht ganz leicht, weil Kolja, der Jüngere von beiden, ein besonders schwieriges Kind ist, ihn hat das Heim wohl schwer kaputt gemacht. Aber dann war er wieder brav und lieb, daß es uns schon verdächtig war. Beide fingen nach 3 Tagen an, mit uns zu kuscheln. Das taten wir auch ganz bewußt und ausdauernd. Sergej war problemlos. Aber mit beiden hatten wir auch viel Spaß und möchten sie bald wieder bei uns haben. Drei Wochen sind eben nicht genug, um die neuen Freiheiten zu verstehen und genießen zu können. Dazu bedarf es mehr Zeit, aber wir hoffen auf ein Wiedersehen.


Sonntag, 22.7.01
Sie sollten zwischen 14 und 18 Uhr ankommen, der Bus kam um 20.25 auf den Hof in Mölz mit 30 Kindern, die alle erwartungsvoll auf uns Gasteltern schauten. Renate wollte weglaufen und ich fing an zu heulen. Besonders schlimm waren die Blicke derer, die nicht zu Gasteltern kamen, als wir vom Hof fuhren. Wir hatten Probleme, weil sie sich im Auto nicht anschnallen ließen - hatten sie vielleicht schlechte Erfahrungen mit einem Gurt ? Fahren nun noch 3 Stunden über die Autobahn nach Rosdorf (bei Göttingen), sind 23.30 Uhr da. Sergej schläft unterwegs, Kolja bleibt wach und ist völlig aufgedreht. Daß jeder ein eigenes Bett haben soll, löst Erstaunen aus. Sie kuscheln sich erstmal die nächsten Tage in einem Bett zusammen. Kolja kann auch nicht einschlafen und ist bis nach 1 Uhr noch wach.
Montag, 23.7.01
Sie sind früh wach und erkunden erst mal die Umwelt, an allen Knöpfen wird gedreht, das TV ist faszinierend und Radio der Renner. Wir kaufen erst mal Hosen und Schuhe und T-Shirts ein. Dann auf den Spielplatz vor unserem Haus, dort sind sie 30 Min. und dann ist die Aktivität erlahmt. Sie haben Schwierigkeiten sich beim Spielen zu konzentrieren. Nach kurzer Zeit läßt das Interesse nach und dann muß was anderes passieren. Sie essen noch wie die Spatzen. Abends ist das Radio auf volle Lautstärke, trotz Verbots. Aber Kolja holt sich das Radio aus dem verschlossenen Raum zurück. Ich schimpfe und nehme das Radio weg, das wirkt. Verbote müssen auch eine spürbare Konsequenz haben, sonst wirken sie nicht. Das ist ihre Erziehung. Die neuen Walkmänner werden auch weggenommen und nur dosiert ausgegeben.
Dienstag, 24.7.01
Heute zum Spielplatz vor dem Haus. Dann wird die Spielkiste mit den vielen kleinen und großen Autos von unseren Nachbarn entdeckt. Wir haben bei unseren Nachbarn Kinderspielzeug gesammelt, es kamen ganze Berge zusammen, die aber nur langsam herausgegeben werden. Abends grillen wir beim Nachbarn Gerd. Sie essen gerne den Kartoffelsalat. Trinken massenhaft Apfelsaft.
Mittwoch, 25.7.01
Wir haben heißes Wetter, essen auf der Terrasse. Sie entdecken Nutella zum Frühstück. Da werden schon mal 9 Scheiben Weißbrot vertilgt. Da sie doch recht unterernährt sind, wird ihnen das nicht schaden. Beide Kinder haben eine sehr schlechte Haut, wohl aus Vitaminmangel, also gibt es morgens erstmal einen Vitamintrunk.
Abends geht’s in die Badewanne mit Molkebad. Das ist der Knüller und wir hoffen, daß es der Haut hilft. Wenn etwas toll ist, hebt Kolja den Daumen und sagt „wow“.
Donnerstag, 26.7.01
Weil es so heiß ist gehen wir nachmittags zum Wendebachstausee. Eine tolle Idee, die Babuschka (Oma Käthe) hatte. Auf der Fahrt dorthin folgt uns Babuschka mit dem Auto, aber plötzlich ist sie weg und Sergej fragt : wo ist jetzt die Alte (staricha). Sie tollen im Wasser rum und sind abends Schlag kaputt, schlafen früh.
Freitag, 27.7.01
Heute gewogen : Kolja 25,2 kg, Sergej 28,1 kg.
Renate hatte vorgestern zum Frühstück Nutella besorgt und heute ist der Pott alle. Sie essen jetzt sehr gut und das freut uns ungemein.
Fahren wieder zum Wendebach mit Oma Käthe, die sitzt auf einem Gartenstuhl. Ein Sonnenzelt wird aufgebaut und um 12 Uhr teilt Renate (Mamutschka) Kartoffelsalat mit Fleischwurst aus. Leider waren wegen eines Logistikfehlers nur 2 kleine Apfelsaftdosen mitgekommen. Das Wasser aus dem Kiosk : ist so teuer, daß wir fast eine Kiste Apfelsaft im Supermarkt kaufen könnten.- Abends ist wieder Badefest in der Wanne. Renate hatte von ihrer Kur ein Molkebad mit Kleie mitgebracht, das wollte aber keiner von uns. Nun soll es der Haut der Kinder guttun. Sie quietschen vor Vergnügen und das Bad schwimmt hinterher.
Heute abend sitzen wir bei einer guten Flasche Wein auf der Terrasse – die Kinder sind schon eingeschlafen - und reden über sie. Leider hat uns der liebe Gott keine eigenen geschenkt, aber Renate meint, jetzt hat er uns nun andere geschenkt. Besonders sind uns die Ausfälle von Kolja ein Problem und Renate sagt, dass er weiterhin eine Chance braucht. Er ist sich nicht klar darüber, dass seine Art und Weise nicht dazu dienen wird, ihn wieder einzuladen. So geht es wenigstens mir. Aber Renates Argument, dass er keine weitere Chance hat, vermittelt zu werden, wenn wir in fallen lassen, macht mich ganz weich. Wer hat ihn so verbogen, dass er so aufbrausend reagiert? Warum macht er so einen Terz, wenn er sich im Auto anschnallen muss? Ist er so geschädigt worden, dass Anschnallen ihn an Situationen im Kinderheim erinnert? Woher kommen seine Striemen auf den Rücken? Ist er schlimm geschlagen worden? Jawohl, wenn es mit ihn einigermaßen (!) zu ertragen ist , soll er auch im nächsten Jahr seine Chance bekommen, dafür stehen wir.
Samstag, 28.7.01
Gewicht : Kolja 25,4 kg; Sergej 27,9 kg
Nun haben wir sie gestern nach dem Frühstück gewogen, heute vorher. Fahren morgens in die Stadt Göttingen, damit Renate eine neue Batterie für ihre Uhr bekommt. Bei Karstadt gab es wieder Terror : Kolja wollte unbedingt eine Uhr haben, zeigte auf die für 500 DM und war stocksauer, als wir nein sagten. Dann lief er uns einfach weg im Gewühl des Samstagsverkehrs und wir wußten nicht, ob er links oder rechts um die Ecke gebogen war. Obwohl wir beide vergattert hatten, sie sollten eng bei uns bleiben, galt das nicht für Kolja. Hört er wirklich schwer oder ist das ein Verständnisproblem ? Wir blieben dort stehen, wo er uns von der Fahne gegangen war und warteten. Ich war schon dabei – nach etwa 15 Min – die Polizei anzurufen, damit sie nach ihm sucht, da kam er ganz aufgelöst angerannt. Also gab es wieder Vorhaltungen strengster Art. Der Schock saß ihn noch in den Gliedern, denn er blieb nun ganz nahe bei uns. Die Fahrt zum Stausee fällt aus, es ist zu heiß. Abends entdecken sie Heringssalat und im Nu ist eine Schale leer.
Sonntag, 29.7.01
Gewicht : K 26,2 kg ; S 28,9 kg
Also haben sie 1 kg in einer Woche zugenommen, nicht schlecht. Sie essen – nein fressen – Nutella auf Knäckebrot (wieder 5 bis 8 Scheiben am Morgen !). Sergej ißt heute morgen kaum was und ist ganz still. Ich versuche ihn auszufragen aber er schweigt auf meine Fragen, schüttelt nicht mal den Kopf oder nickt. Mittags werden Buletten gegessen. Sergej ist wieder auf dem Damm. Am Nachmittag gibt’s Eiskakao, den Kolja verschmäht. Wir spielen „Mensch ärgere dich nicht“ , sie kapieren schnell den Spielverlauf und sie halten auch ein Spiel durch. Beim zweiten Spiel schmeißt Kolja plötzlich alle Figuren um und meint er wolle ein anderes Spiel spielen. Es gibt wieder Ärger und er ist beleidigt. Sergej leidet unter diesem Terror, versucht Kolja zu beeinflussen, setzt sich aber nicht durch. Wie sollte er auch, er wird niedergeschrieen und geboxt. Warum ist Kolja so, warum kämpft er gegen uns, warum kann er seine Ferien nicht genießen und macht sie für andere noch kaputt ? Warum sieht er seine Ferien als Verlängerung des Heims an? Warum macht er sich seine Chancen auf eine Wiedereinladung systematisch kaputt. Dazu ist er vielleicht intellektuell nicht fähig. Ist er vielleicht noch nicht reif für einen solchen Aufenthalt ?
Montag, den 30.7.01
Gewicht : K 25,7 kg; S 28,0 kg
Heute war mal ein sehr guter und friedlicher Tag. Haben sich die beiden schon an uns gewöhnt, merken sie vielleicht jetzt, daß man nicht durch trotzig sein etwas erreichen kann ?
Gut, der Heringssalat von Renate selbstgemacht, schmeckte beiden nicht so wie der industrielle, aber sie waren wohl noch satt von den acht (jeder) Knäckebroten mit Nutella vom Frühstück. Wir fahren wieder zum Wendebachsee und es ist ein toller, ausgelassener Tag. Der Himbeersaft und die Gummibärchen sind heute die Attraktion. Abends fahren wir alleine zu den Domfestspielen nach Bad Gandersheim. Oma versorgt die beiden vorbildlich, sie essen Cornichons in Massen und singen nachher mit Oma „Kalinka“. Oma lebt mit ihren 86 Jahren richtig auf mit den Kindern. Als wir wegfuhren, war es ihnen recht unheimlich : ob wir auch wiederkommen, war ihre Sorge. Um 22 Uhr lagen beide friedlich schlafend im Bett.
Dienstag, den 31.7.01
Gewicht : K 25,7 kg; S 28,0 kg
Sie sind schon seit ½ 5 Uhr wach. Als sie uns um 7 Uhr erblickten, fielen sie uns um den Hals. Das Frühstück mit Nutella war ausgiebig. Dann Spielplatz. Renate verabredet einen Termin mit dem Kinder beim Kinderarzt Feindt, der sie unentgeltlich behandeln will. Wegen der Zähne versuche ich mal Gerd Welge (einen Zahnarzt aus unserem Bekanntenkreis) zu erreichen, der schaut sich sicher das Trümmerfeld an und tut dabei eine gute Tat. Aber leider meldet sein Anrufbeantworter, dass er noch im Urlaub ist. Das heiße Wetter treibt uns wieder ans und ins Wasser. Die kleinen Mettwürste mit Ketchup werden gerne verspeist. Ein Gewitterschauer überrascht uns und wir verkriechen uns ins Zelt. Spät nachmittags zurück. Renate kauft noch die letzten Erdbeeren. Abends Pizza und nach dem Molkebad fallen die kleinen Bübchen todmüde ins Bett.
Mittwoch, den 1.8.01
Gewicht : K 26,0 kg; S 28,2 kg
Seit Montag sind keine Ausraster von Kolja gewesen, er gibt sich sogar kooperativ und will überall helfen. Heute morgen habe ich wegen eines Verständnisfehlers wohl gesagt, es gibt kein Nutella mehr. Da waren beide richtig traurig. Als sie es dann doch auf dem Tisch sahen, haben sie wieder zugeschlagen. Jetzt helfen sie Renate beim Abschneiden der verwelkten Blumen. Nachmittags wieder zum See, es klappt alles sehr gut. Wenn Sergej noch länger hier ist, könnte er bald gut schwimmen. Kolja ist nicht so gut beweglich und hat Angst davor, sich aufs Wasser zu legen, trotz der Unterstützung eines Schwimmreifens. Unterwegs kaufen wir noch ein und Kolja haut sich beim Einsteigen ins Auto die Tür ins Gesicht. Das muß arg weh getan haben, aber er krümmte sich nur und Renate durfte ihn trösten. Nach dem Abendbrot waren sie recht müde und sind gegen 20 Uhr eingeschlafen.
Donnerstag, den 2.8.01
Gewicht : K 26,1 kg; S 28,3 kg
Sie sind wieder früh wach. Beim Frühstück saßen sie deshalb wie die schlappen Fliegen da. Trotzdem wurde ein halber Pott Nutella verspachtelt. Morgen machen wir erst mal´ne Nutella-Pause, da gibt’s wieder Johannisbeermarmelade Homemade. Nachher haben wir einen Termin beim Kinderarzt, mit dem Begriff „Arzt“ konnten sie selbst auf Russisch nichts anfangen. Waren sie noch nie bei einem ? Aber sie stellten sich ganz gut an. Er stellte bei Sergej eine mächtige Mittelohrentzündung fest, die unbedingt behandelt werden muß. Er verschreibt antibakterielle Ohrentropfen. Beide brauchen über kurz oder lang eine Brille, bei Kolja ist es noch nicht so dringend, aber Sergej hatte kein gutes Spektogramm. Müßte mal einem Optiker vorgestellt werden. Aber die Organe und das Herz ist bei beiden OK. Haben am Dienstag einen weiteren Termin, um den Fortschritt des Ohrs zu beobachten. Heute ist es zu spät fürs Wasser, darum Spiele im und ums Haus.
Freitag, den 3.8.01
Ganz früh morgens kommt Renate und sagt, daß sie 40 Grad Fieber habe. Sie hat eine Virusinfektion und ist kaputt und marode. Sie bleibt im Bett. Ich erkläre den Kindern, daß sie ruhiger sein sollen, weil Renate sehr krank ist. Das Wetter ist so, daß sie gut auf dem Spielplatz gehen können, aber sie lassen uns nicht in Ruhe nach 15 Min. wollen sie wieder rein, dann dauert es 20 Min : wir wollen raus. So geht es den ganzen Tag. Mittags hatte Renate noch einen Schokopudding fertiggemacht. Dann gehe ich mit ihnen zum Spielplatz und sie bleiben auch lange dort und nutzen alle Spielgeräte. Ist es meine Aufsicht, die sie ausdauernder werden läßt?
Samstag, den 4.8.01
Sergej versucht er jetzt immer mehr, Kolja zu beeinflussen, aber er scheitert an dessen Dickkopf. Wer bestimmt hat, daß Sergej zu den Lernbehinderten zählt, würde ich gerne mal saftig in den Hintern treten, diesem pädagogischen Schwachkopf. Ich halte ihn - die Umstände seines Lebens berücksichtigend – für recht intelligent. Wir wollen Kolja aber noch eine Chance geben, eigentlich müßte er in eine Therapie. Ich verdonnere sie, nicht vor 8 Uhr Krach zu machen und zum Frühstück zu erscheinen. Sie haben eine Uhr, die sie ja lesen können.
Sonntag, den 5.8.01
Gewicht : K 25,8 kg; S 28,6 kg
Sie kommen auch wirklich nicht vor 8 Uhr aus ihrem Zimmer. Renate hat immer noch 40 Grad Fieber, ihr geht es sichtlich schlecht. Anfänglich geht es gut, aber im Laufe des Tages flippt Kolja wieder aus. Schade nur um Sergej – weiß Gott auch er kein Kind von Traurigkeit – aber er muß unter Kolja leiden. Er hat ein feines Gespür für unsere Situation und versucht nun Kolja zu dämpfen, aber das artet eben auch in Schlägereien aus. Ich gebe ihn zu verstehen, daß sie sich nicht mehr schlagen sollen, weil es uns nervt. Sergej ist ein richtiger Junge, nicht unterwürfig angepaßt. Aber er kennt und spürt Grenzen. Und wenn er über die Grenzen geht und wird zurückgepfiffen, dann ändert er auch zukünftig sein Verhalten. Das nennt man : lernen. Es macht richtig Spaß zuzusehen, wie aus dem erst verschüchterten Jungen ein aufgewecktes Bürschchen geworden ist. Wir möchten ihn sehr gerne fördern.
Babuschka hat uns zum Mittag Kartoffelsalat und Klopse gemacht, sie haben alles aufgefr... .
Hinterher gabs noch eine Erdbeerspeise mit ganzen Erdbeeren. Nachmittags bringen wir die leeren Schüsseln zu ihr hoch und beide sagen „Danke schoon, Babuschka“. Das freut Käthe ungemein, sie hat sogar Tränen in den Augen.
Abends werden die Burschen wieder zur Ruhe vergattert.
Montag, den 6.8.01
Gewicht : K 25,6 kg; S 28,6 kg
Morgens hat es wieder geklappt, die Bengelchen kamen erst nach 8 Uhr. Die Entscheidung zwischen Nutella und Sauerkirschmarmelade (nicht Homemade, sondern a la ALDI) fiel beiden schwer, so aßen sie von beidem reichlich. Dann fuhren wir Babuschka zu Augenarzt und auf der Rückfahrt zum Kiessee und dem dortigen Spielplatz. Am See fiel Kolja erst mal hinein, d.h. mit einem Bein war er schon in der grünen, algigen Soße verschwunden. Eine leere Bierflasche schwamm vor seinen Füßen, die er unbedingt haben wollte. Das große Schiff auf den Spielplatz hatten sie ganz für sich alleine und sie waren auch 30 Minuten begeistert, dann war’s wieder aus, uninteressant ! Also zurück nach Hause. Sergej will für Mammka ein Bild malen, doch Kolja tritt ihn immer gegen den Stift; Fazit : Riesengeschrei, weil Sergej wohl recht arg hingelangt hat. Mittags habe ich ihnen Spinat süß sauer (mit Honig und sauren Gurken) und einem Spiegelei gemacht. Dazu Salzkartoffeln. Sergej delektiert sich, Kolja weniger. Ich merke auch aufkommendes Fieber und habe starke Kopfschmerzen. Schnell mal ASS reinhauen und etwas schlafen, hoffentlich lassen mich die beiden in Ruhe. Aber ich habe ihnen versprochen, daß sie bei Wohlverhalten nachher am Computer Flipper spielen dürfen. Ob das wohl wirkt ? Es wirkt !
Dienstag, den 7.8.01
Gewicht : K 26,0 kg; S 28,5 kg
Renates Fieber geht nicht runter. Beim Aufstehen, um zum Arzt zu gehen, bricht sie unter starken Bauchschmerzen zusammen. Die Ärztin macht zuhause ein Blutbild, daß riesig hohe Entzündungswerte aufweist. Die Kinder halten wir von Renate fern, wer weiß welche ansteckende Krankheit sie hat. Beide versuchen einen Blick zu erhaschen und ein Winken ins Krankenzimmer zu schicken. Sie merken, daß ich mich nicht mehr ganz um sie kümmern kann und bleiben lange draußen auf dem Spielplatz. Mittags haben wir noch einen Termin beim Kinderarzt Dr. Feindt. Er freut sich, daß Sergej`s Ohr etwas besser wurde, aber das rechte Ohr eitert auch ein wenig. Er gibt uns zwei Flaschen Antibiotikum für Kinder mit, eine Flasche kostet 100 DM. Das muß er 3 mal täglich nehmen. Das Wetter ist wechselhaft und als es anfängt zu regnen, spielen sie mit den Autos in ihrem Zimmer. Nachmittags muß Renate doch ins Krankenhaus. Die Kinder sind richtig geschockt, als man Mammka im Liegen in den Krankenwagen schob. Wir fahren mit dem Auto hinterher und Kolja hat Sorge, ob ich weiß wohin wir fahren müssen. Im Krankenhaus sind sie sehr diszipliniert. Abends gehen sie bald ins Bett.
Mittwoch, den 8.8.01
Wir vergessen die Waage und fahren gleich nach dem Frühstück zu Renate. Die Kindern drängeln richtig dorthin. Schwägerinnen Anneliese und Doris sind auch da. Anneliese hat zwei knallrote Sweatshirts mitgebracht, sie ziehen sie gleich an. Anderthalb Stunden bleiben beide sehr ruhig, wir fahren mittags zurück und sie dürfen ein Video „Marx Brothers“ sehen. Sie kringeln sich vor Lachen. Nachmittags lassen sie mich in Ruhe, abends dürfen sie den zweiten Teil des Films sehen. Wir sprechen noch mit Frau Dr. Schmidt und sie werden wegen ihres Verhaltens belobigt. Renate meint, wir waren wohl doch am Wochenende zu gestreßt, um gerecht zu sein. Sie ist wieder dafür, auch Kolja wieder einzuladen. Kolja schaukelt sich wieder eine dreiviertel Stunde in den Schlaf – Hospitalismus ?
Donnerstag, den 9.8.01
Heute morgen kommt die Presse. Die Nachbarin Christel hat mich auf die Idee gebracht, sie meinte, eine solche Aktion darf nicht so im Sande verlaufen. Davon sollten viele was mitbekommen. Der Redakteur vom Tageblatt war auch recht gut, der Fotograf noch besser, denn seine Ausrüstung hat er erst mal den Kindern gezeigt. Da konnte man sogar auf einem kleinen Monitor alle Bilder sofort sehen. „Wow“ mit hochgestrecktem Daumen, das war Koljas Kommentar. Beide produzierten sich auch gleich ganz ordentlich.
(Das Ergebnis erfährt man, wenn man hier anklickt)
Dann sind wir gleich mit den frisch gemalten Bildern zu Mammka ins Krankenhaus gefahren. Sie können malen, was sie wollen, es kommt immer ein Auto (maschin) heraus. Ehrlich gesagt, es war nur Sergej der malte. Nachmittags entdecke ich noch ein letztes Video der Marx Brothers und der Tag ist gerettet ! Abends packen wir die Rucksäcke, sie ahnen warum.
Freitag, den 10.8.01
Heute zurück nach Mölz. Unsere Freunde Heinz und Anita Strothmann fahren mit. Sergej hat es geschnallt, dass die Zeit nun zuende ist und sagt die ganze Fahrt über kaum ein Wort. Als wir kurz vor Mölz waren, fragt Kolja, ob wir jetzt wieder nach Hause fahren. Darauf antwortet Sergej mit einem deutschen, grimmigen "nein".
Es fällt mir schon sehr schwer, die beiden loszulassen und als Sergej seine kleinen Arme um meinen Hals schlingt und "Papka, Papka" schluchzt, kann ich auch nicht mehr und aus meinem trockenen Hals quält sich ein "Gott mit euch, ihr beiden Rabauken". Dann nichts wie ab.

Wir denken immer an sie : haben sie im Winter genug warme Kleidung, werden sie überhaupt satt und wie geht es ihrer Gesundheit ?
Wir möchten sie ein wenig begleiten und helfen, versprochen ist versprochen

Renate und Ulrich Wagener aus Rosdorf bei Göttingen




 

wenn man aus Bild klickt, kann man es sogar lesen Das Göttinger Tageblatt hat sich für die beiden interessiert